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So schön und dann doch auch manchmal sehr einsam – Elternschaft mit kleinen Kindern

Kinder sind das größte Glück auf Erden, sagt man.

Dann bekommt man eines und es ändert sich das komplette Leben. Wie sehr, weiß man erst, wenn man selbst in der Situation steckt. So vieles ist neu, voller Zauber und Erstaunen über dieses kleine Wesen. Plötzlich ist man ein Elternteil. Es ist aufregend, schön, fühlt sich gut an. Und doch gibt es auch die anderen Seiten. Während meiner ersten Elternzeit habe ich viele einsame Momente erlebt.

Ich bin damals zu keiner Krabbelgruppe oder frühkindlicher Bildung gegangen, weil die Angebote hier zu Zeiten lagen, in denen das Kind geschlafen hat. Und Schlaf zu den richtigen Zeiten war für dieses Kind wichtig. Über viele Monate hinweg hatte ich viele Stunden lang kein Gegenüber zum Reden und war stark fremdbestimmt in meinem Tun. Kontinuierlich ist man für diesen kleinen Menschen da und verantwortlich, seine Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen: Wickeln, Stillen, Kochen und Füttern, Kuscheln, Spielen, Spazierengehen, Reden und Vorlesen, Schlafenlegen, Baden, …. Zeit für eigene soziale Kontakte wird hintenan gestellt. Klar kann ich mit dem Kind reden und es reagiert auch. Doch gedanklich austauschen kann man sich nicht. Mit Problemen im Alltag ist man weitestgehend auf sich allein gestellt. Der Partner geht nach den obligatorischen (noch immer nicht typischen) ersten Wochen zu Haus wieder arbeiten. Die Hebamme kommt  in der ersten Zeit zunächst alle paar Tage zu Besuch, dann irgendwann nicht mehr. Die meisten anderen Menschen im eigenen sozialen Umfeld sind tagsüber arbeiten. Kolleg*en, Eltern, Partner*innen, Freund*innen sind damit nicht verfügbar. Man ist alleine. Man ist erschöpft. Und doch ist man verantwortlich. Rund um die Uhr. Auch wenn man selbst müde ist und das Kind gerade nicht schlafen möchte. Und so erwischt man sich dabei, wie man an einigen oder auch vielen Tagen ständig auf die Uhr blickt: „Noch 4 Stunden, bis er nach Hause kommt.“ --- „Noch 3 Stunden und 50 Minuten bis er nach Hause kommt.“ --- „Oh, noch immer über 3 Stunden, bis er da ist…“.

War ich einsam? Ja. War es manchmal schwer auszuhalten? Ja.

Geht es nur mir so? Definitiv nicht. Ich habe Freundinnen, den ging auch so. Tatsächlich sollen sich 1/3 aller Eltern zumindest manchmal einsam fühlen.

In Afrika gibt es ja dieses berühmte Sprichwort: „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf. “ Meistens interpretieren wir es mit Blick auf die Kinder so, dass es für eine gute Entwicklung des Kindes hilfreich ist, wenn viele Menschen an ihrer Erziehung und ihrem Aufwachsen beteiligt sind. Doch auch den Eltern hilft es sehr, wenn sie nicht alleine verantwortlich sind für ihre Kinder. Nur dann haben sie die Kraft, ihre Aufgabe gut zu machen.

Als ich das zweite Mal Mutter wurde, habe ich dann vieles anders gemacht. Ich habe mir Kontakte gesucht, habe mir Hilfe und Besuch eingeladen, habe mehr eingefordert. Und ich hatte nachmittags das große Kind, mit dem man reden kann. Insgesamt eine wunderschöne Zeit.

Doch auch jetzt noch ist Kontakt als Familie manchmal schwierig. Morgens die Familienmitglieder fertig machen und los zu Kindergarten und Arbeit. Den lieben langen Tag arbeiten, die Kinder abholen, Zeit mit ihnen verbringen, Abendessen bereiten, bettfertig machen, ins Bett begleiten, wenn die Kinder schlafen, die Küche aufräumen und erledigen, was liegen geblieben ist.

Wenn Familien mit kleinen Kindern sich untereinander treffen, dann geht es meist bunt her. Da bleibt wenig ruhige Zeit fürs Reden. Und selbst, wenn man sich mal verabredet und ist man häufig einfach nur k.o. Auch lange Telefonate und regelmäßige Briefe, Wochenendtrips zu Freunden sind weniger geworden. Ich kenne Paare, die 5 Jahre nicht mehr ausgegangen sind oder zu zweit bei einem Geburtstag von Freunden waren. Ich kenne Frauen, die nach 6 Jahren sagen: „Ich möchte jetzt endlich wieder leben“ und beginnen sich ab und zu einen Abend oder ein Wochenende frei zu nehmen für ihr Freunde, für Kunst, und Kultur, für ihre persönlichen Interessen.

Dinge, die Familien, welche von Einsamkeit betroffen sind, unterstützen könnten …

  • in der Gesellschaft anzuerkennen, dass es normal ist, sich manchmal einsam zu fühlen und dass man sich auch mit Kindern einsam fühlen darf, denn dies sagt nichts darüber aus, ob man die Elternrolle gut ausfüllt
  • die gerechte Verteilung von Care
  • Soziale Kontakte – in welcher Form auch immer –, in Person und online; sei es im regulären Familien- und Freundeskreis oder in neuen Gruppen
  • Angebote, die kein oder wenig Geld kosten
  • Ermutigung und Ermöglichung für Zeit für sich selbst: Sport, Lesen, Kochen, Fernsehen, in Ruhe baden/duschen, meditieren, Musikhören, eine Konzert besuchen, mit Freunden essen gehen u.v.m.

Etwas für sich zu tun, Pausen zum Kraftsammeln, etwas mit den Kindern gemeinsam tun und dabei Einsamkeit vorbeugen, klappt eher, wenn (noch) jemand anderes auf die Kinder aufpasst. Viele junge Familien leben jedoch an Orten ohne direkte Verwandte, die man um Unterstützung bitten kann. Auch hier bräuchte es eigentlich das Dorf.

Sind denn unsere Kirchengemeinden ein Teil des Dorfes, das Familien brauchen, um gut zu wachsen?

Kirche kann für Familien und Kinder Teil des Dorfes werden, indem sie eine herzliche und unterstützende Gemeinschaft bietet. Familienfreundliche Gottesdienste, altersgerechte Aktivitäten und (Bildungs-)Angebote, sowie die Möglichkeit für Eltern sich auszutauschen und zu vernetzen, schaffen eine einladende Umgebung. Unterstützungsmöglichkeiten für alle Altersgruppen, unabhängig vom Einkommen, können inklusiv wirken und Familien stärken.

Es gibt vielerorts in Familienbildungsstätten, Nachbarschaftszentren und Kirchengemeinden Angebote für verschiedene Bedürfnisse und Konstellationen von Familien. Kirchliche Mitarbeitende  sind unterwegs an Orten des Sozialraums, etwa in Kindertageseinrichtungen, und schauen, wo es Gesprächsbedarf bei Eltern gibt.

Es macht immer Sinn, mit Familien das Gespräch zu suchen und zu fragen, worauf sie Lust hätten, wie Veranstaltungen/Aktivitäten/Gottesdienste sein müssten, dass es für sie gut passt und damit Kirche aktiv Teil des Dorfes sein kann.

 

Autorin: Nele Tanschus, Fachstelle Familien der Nordkirche